„Wo sind die anderen Frauen?“ Dankesrede von Maren Kroymann

„Wo sind die anderen Frauen?“ 
Dankesrede von MAREN KROYMANN anlässlich der Verleihung des Ehrenpreises / Baden-Württembergischen Kleinkunstpreis 2015 am 16. April 2015 in Freiburg

"Ich freu mich riesig über diesen Preis. Ich freu mich, dass Baden-Württemberg an mich denkt. Ich denk auch viel an Baden-Württemberg. Es hat mich geprägt, Tübingen ist meine Heimat, und es kommt in jedem meiner Bühnenprogramme vor. Ich freue mich aber auch, und kann es gar nicht richtig fassen, wenn ich mich jetzt mal auf eine Wolke beame und von oben auf das E-Werk hier in Freiburg gucke, dass es eine Frau ist, die heute den Ehrenpreis hier kriegt. Wo es uns doch in der Kleinkunst kaum und im Kabarett angeblich gar nicht gibt. Eine große, seriöse Tageszeitung schrieb ja vor einigen Jahren mal den Satz „Wollen wir uns wirklich nach 11 Uhr abends von einer Frau die Welt erklären lassen?“ Es ging damals um Anke Engelke in der Nachfolge von Harald Schmidt. Es war witzig gemeint, aber es war blutiger Ernst. Es war eine Warnung an uns. Mädels, lasst stecken, Ihr könnt das nicht. Kabarett, Satire, selber denken und witzig sein – das ist nicht euer Feld. Deshalb ist es ja geradezu unglaublich, dass ein paar sehr großartige Frauen es trotzdem an die vordere Front des Humorwesens in diesem Land geschafft haben. Eben Anke Engelke, Barbara Schöneberger, Monika Gruber, Carolin Kebekus. Alles hoch intelligente Frauen, die ich sehr schätze, und zufällig auch alles Frauen, die rein optisch in ein bestimmtes Bild von Frauen passen, das das Fernsehen uns liefert. Klassisch attraktiv.

Ich frage jetzt aber mal: wo sind die anderen Frauen? Wo sind die schlauen witzigen Frauen, die nicht blond sind, nicht dünn, die kurze Beine haben, die vielleicht älter sind, graue Haare haben oder eine Brille tragen? Die den ganzen Styling-Quatsch aus Prinzip ablehnen? Die besondere Qualifikation, die man braucht für Kleinkunst, Satire , Kabarett – ich nehm’ das jetzt mal als einen Bereich – ist, ich sag es ungern, denn für viele, gerade auch im Fernsehen, ist das, glaub’ ich , ein obszöner Begriff: Geist. Es ist nicht die Physis, es ist nicht eine Haarfarbe, es sind nicht Körpermaße. Es hat mit Intellekt zu tun. Esprit, Witz, geistiger Charme haben mit Intellekt zu tun. Frauen und Intellekt – das ist aber immer noch vermintes Gelände. Frauen dürfen schon Köpfchen haben, aber man soll es ihnen bitte nicht gleich ansehen. Schlaue Frauen haben, wenn sie Karriere machen wollen und die läuft nun mal über das Fernsehen, eine regelrechte Erotikhürde zu überwinden. Wenn sie die nicht schaffen, verschwinden sie in der Versenkung und bleiben auf ewig unsichtbar. Martina Brandl – ich gratulier’ dir dazu, dass Du sie geschafft hast! (Anm.: Sie ist ebenfalls Preisträgerin des BW-Kleinkunstpreises 2015.) Puh! Schwein gehabt!

Das ist bei männlichen Kabarettisten anders. Die dürfen aussehen, wie sie wollen, da gibt es alle Typen. Harald Schmidt hat mal einen sehr klugen Satz gesagt. Er hat gesagt: „Ich heiße Schmidt und sehe auch so aus.“ Eine Frau, die optisch ein weibliches Pendant wäre zu Harald Schmidt, eine Frau, die wie eine Intellektuelle aussieht, hätte nie so eine Karriere gemacht. Und das ist ungerecht, meine Damen und Herren!

Ich plädiere dafür, dass wir einen anderen Blick auf Frauen richten. Auch bei Frauen kommt es auf Originalität an, auf Begabung, auf Eigenwilligkeit, auf Haltung auch, vor allem aber: auf selber denken. Das klar zu machen ist umso wichtiger in einer in einer Zeit, in der eine der wirkungsmächtigsten Sendungen im deutschen Fernsehen „Germany’s Next Top Model“ heißt! Und nicht etwa, was durchaus naheliegen könnte, „Germany’s Next Bundeskanzlerin“ oder „Germany’s Next Satire-Queen“.

Und wie hab ich es geschafft, diesen Ehrenpreis zu bekommen? Ich will es Ihnen sagen. Ich führe ein Doppelleben. Ich kann, wenn ich 1 ½ Stunden in der Maske war und mit Hilfe von Heißwicklern und einem halben Liter Haarspray extra fester Halt diese historische 60er-Jahre-Frisur hergestellt habe, die mich hier schmückt, glatt als Blondine vom Fernsehen durchgehen. Wenn ich aber morgens aufstehe und ungeschminkt mit Brille durch meine Wohnung tapere, dann sehe ich aus wie eine verhuschte, etwas in die Jahre gekommene Studentin – die ich im tiefsten Grund meines Herzens auch bin, meine Damen und Herren! Wobei ich Wert auf die Information lege, dass ich mein Studium abgeschlossen habe – übrigens im Gegensatz zu sehr vielen Redakteuren in den Sende-Anstalten. Ich bedanke mich für diesen Preis! Für mich bedeutet er so viel, weil er genau in die Richtung zielt, die ich mir wünsche – was ich eben beschrieben habe. Eine Anerkennung eigenen Denkens, eine Würdigung eines individuellen Weges und übrigens auch von den Brüchen in einer weiblichen künstlerischen Vita. Die vielleicht anders verlaufen als die in einer männlichen Vita.

Ich danke der Jury für ihre Vorurteilslosigkeit.

(Foto: Felix Groteloh)

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