Erinnerungen an Dirk Bach

Anlässlich der Veranstaltung "Cover-me" am 15. November in Köln zu Ehren von Dirk Bach und zu Gunsten des "Dirk-Bach-Hauses" hat sich Maren Kroymann an ihren guten Freund erinnert:

Erinnerungen an Dirk Bach

Zum ersten Mal über den Weg gelaufen sind wir uns bei den Dreharbeiten zu „Kein Pardon“ 1992. Dirk hatte eine sehr kleine Rolle und musste von einem Schrank springen. Er war bescheiden, dabei aber extrem präsent. Er fiel einfach auf, auch mit welcher selbstironischen Lässigkeit er da als kleiner, rundlicher Mann diesen Sprung absolvierte – Lachnummer ja, aber bewusst gestaltet und äußerst fotogen. Dann durfte ich ihn im Sommer 1994 interviewen für eine TV-Porträtsendung im 3. Programm. Da war er schon ziemlich populär durch die „Dirk-Bach-Show“ bei RTL, und ich war glücklich, dass ich nach New York fliegen musste, weil Dirk sich dort einige Monate aufhielt. Aha, Auszeit! denkt man heute. Völliger Quatsch. Nichts lag Dirk ferner als eine Auszeit. In New York war einfach alles beisammen, was er gerne hatte: eine behende Grundgeschwindigkeit des Lebens, großartige Mode-Designer mit Trash-Affinität, eine inspirierende schwul-lesbische Kulturszene, die besten, intelligentesten Fernseh-Serien, die größten Showstars, auf Broadway-Bühnen live zu bewundern, reichhaltiges, schön ungesundes Essen und Trinken, ein riesiges, gut sortiertes Geschäft für Spielzeug, speziell Plüschtiere, eine bequeme Suite in einem zentral gelegenen Hotel, in die man jetzt eben auch mal den Kölner Freundeskreis sukzessive einladen konnte, damit die an sich ja herrliche Anonymität dieser Stadt nicht etwa persönlich genommen werden musste. Da war schon alles da damals: Das Großzügige, das Solidarische, der Genuss, das Kommunikative. Das Rastlose. Das Sich-Einschalten-Wollen. Das Aufnehmen. In Vorbereitung des Selber-Machens...

Dirk war ja ein sehr hübscher Mann. Diese klugen, warmen, manchmal etwas spöttischen Augen. Eine handhabbare, für niemanden bedrohliche Größe. Eine sehr haptische Rundheit. Diese Tatsache wurde dann vermarktungshalber in Begriffe wie „putzig“ oder „knuddelig“ gefasst. Das hieß aber auch: von einem traditionellen Männer-Schönheitsideal weit entfernt. Dirk hat sich von Anfang an offensiv zu seinem Anders-Sein verhalten, dem physischen – durch knallige, extrem stylishe Outfits, die keinem anderen gestanden hätten – wie zu seinem sexuellen Anders-Sein. Das war eins bei ihm. Da war auch nie der Hauch eines strategischen Verhaltens – nehm ich mein Schwulsein vielleicht jetzt doch mal ein bisschen zurück? Könnte es mir schaden? Sein Vorbild war Divine, die dicke Kult-Transe aus den John-Waters-Filmen. Zeigen, wer man ist, und sich reinschmeißen. Provozieren. Haltung zeigen. Dazu muss man aber erst mal eine haben.

Dirk war früh politisiert, engagierte sich für Amnesty International, war immer ein Aktivist der homosexuellen Community, setzte sich dafür ein, dass das Partnerschafts-Gesetz durchkam, war eine unermüdliche Kämpferin gegen Aids, hat Spenden gesammelt wie kein Zweiter, vor allem mit seinem charmanten Projekt “Cover Me“ in Köln: ein Mal im Jahr dürfen FreundInnen und Kollegen – immer in exzentrischer, überraschender Zusammenstellung, wie sie nur ein origineller schwuler Mann hinkriegt – ein Lied ihrer Wahl singen, mit Band. Alle feiern, und der Eintritt geht ans Lebenshaus, das jetzt Dirk-Bach-Haus heißt, ein Hospiz für kranke und bedürftige Homosexuelle, das von der Aids-Hilfe getragen wird.

Dirk war aktives Mitglied bei PETA, hat sich irgendwann durchgerungen, kein Fleisch mehr zu essen – er, der es immer so liebte, wenn die Schnitzel über den Tellerrand lappten-, und nicht zuletzt: er war Feminist. Auch ein Grund dafür, dass er ein wunderbarer Freund und Partner war für starke Frauen: zuerst – vor und nach allen anderen – Hella von Sinnen, mit der ihn die innigste Seelen- und Begabungs-Verwandtschaft verband, aber auch Barbara Schöneberger und zuletzt natürlich Sonja Zietlow im "Dschungel-Camp".

Kleine Fußnote: nach einer Aids-Gala in Köln, die wir Ende der 90er Jahre zusammen moderierten, sagte Dirk ganz happy: ach, war das schön! Moderieren ist ja eigentlich was, was ich gar nicht kann...

Dirk war immer ein Arbeitstier an der Grenze zum Workaholic. Fähig, drei Projekte gleichzeitig zu schultern, Multitasking auf höchster Ebene. Es konnte einem schwindelig werden beim Zuschauen. Ich habe ihn bewundert für seine strukturierte Art, gut organisiert und gut vernetzt, verlässlich. Ganz im Gegensatz zu seinem schrillen Paradiesvogel-Image. Melancholischer Clown, wie manche jetzt sagen? Nein, so gar nicht. Gut verortet im Leben. Auch in der Liebe, zu Thomas, seinem langjährigen Lebensgefährten. Kluger Narr, das eher. Wie im "Dschungel-Camp", wo er es geschafft hat, eine Dimension von satirischer Überhöhung in das Geschehen zu bekommen. Einer, der dazugehört– und doch nicht. Der den anderen den Spiegel vorhält. Vom Außenseiter zum Spielleiter. Es war eine große Genugtuung für Dirk, dass er mit Sonja Zietlow zusammen für den Deutschen Fernsehpreis für diese Leistung vorgeschlagen war. Das ist ja auch eine unglaubliche Erfolgsgeschichte. Von einem, der angetreten ist, um gegen den Strom zu schwimmen – und auf einmal IST er der Strom.

Liebster Dirk! Du hast Dein Leben gut geführt. Du hast so viel richtig gemacht. Du hast uns so viel gegeben, was jetzt Teil von uns ist. Das ist nicht weg. Das bleibt. Aber Du fehlst so wahnsinnig. Am meisten vermisse ich Deine lieben Augen.

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