Maren Kroymann hat 2010 in dem Sammelband »Ein Traum von Musik: 46 Liebeserklärungen« (Hg: Elke Heidenreich) ihre Beziehung zur Welt der Töne geschildert. In diesem amüsanten und zugleich tiefgründigen Text über ihre musikalische Sozialisation in den 50er und 60er Jahren schildert sie, wie sie einerseits von den Eltern an die Hochkultur, an Kirchenmusik und Instrumentalklassik herangeführt wurde und andererseits über ihre vier Brüder mit der damals noch verrufenen Trivialkultur von Rock ‘n’ Roll und Popmusik in Berührung kam.
Spätestens nach der Lektüre dieses Buchbeitrags wird klar, wieso die Lieder ihrer Kindheit und Jugend in Maren Kroymanns Soloarbeiten solch eine wichtige Rolle spielen. In ihrem ersten Bühnenprogramm »Auf du und du mit dem Stöckelschuh« (1982) schaute sie auf den Kosmos des deutschen Nachkriegsschlagers – speziell auf den Weiblichkeitswahn, von dem die Hits des Wirtschaftswunderjahrzehnts durchtränkt waren. Glasklar, aber nicht ohne Empathie, analysierte sie in ihrem nächsten Programm »Gebrauchte Lieder« (ab 2000) das Männerbild der amerikanischen Popmusik der 50er und 60er Jahre – speziell das Phänomen des 'weinenden Mannes’ – am Beispiel der von ihr verehrten Interpreten Hank Williams und Elvis Presley.
Die 60er Jahre schließlich erlebte Maren Kroymann als Zeit der Befreiung und des persönlichen Erwachens. In ihrem aktuellen Bühnenprogramm »In My Sixties« erzählt sie davon, wie die Popmusik der 60er Jahre den Soundtrack zur eigenen Pubertät lieferte. Erstes sexuelles Begehren, der Wunsch nach Leichtigkeit, die Hoffnung auf eine Befreiung aus den verklemmt-rigiden Moralvorstellungen der Elterngeneration – die Songs der ‚Swinging Sixties’ versprachen ein Leben, das bunter, wilder und schöner war. Die Frankfurter Rundschau schwärmte: „Es gibt keine schönere Art, die eigene Sozialisation im Musikbereich zu reflektieren als die scharfsinnige wie professionelle Show der Fernsehdiva Maren Kroymann zu genießen. Ein absolutes Highlight!”
Für Maren Kroymann ist die künstlerische Auseinandersetzung mit den 60er Jahren „eine Art emotionaler Archäologie“, wie sie der Frankfurter Allgemeinen Zeitung im Interview sagte. „Es ist schließlich die Zeit, die mich am meisten beeinflusst hat. Man ist als Kind und in der Pubertät am empfindungsfähigsten. Schlager sind immer Entwicklungshelfer. Nur in diesem Alter treffen sie einen bis ins Herz.” Das Aufbruchsklima, ausgedrückt in der Popmusik der 60’s, steckte auch die junge Maren an.
Eigentlich schien nach dem Abitur 1967, dem Studium der Anglistik, Amerikanistik und Romanistik und dem bestandenen Staatsexamen der Weg in eine Lehrerlaufbahn vorgezeichnet. Doch Studienjahre in den USA und Frankreich und erste Theatererfahrungen gaben ihr den Mut einer anderen Leidenschaft zu folgen. Statt Schüler:innen zu unterrichten, amüsierte Maren Kroymann ein stetig wachsendes Publikum mit unerwartetem feministischen Entertainment. Zunächst mit dem eigenen Bühnenprogramm, später auch in TV-Gastauftritten bei »Scheibenwischer«, »Jonas«, »Holgers Waschsalon«.
Zwischen 1993 und 1997 hatte die Kabarettistin dann mit »Nachtschwester Kroymann« als erste und lange einzige Frau in der ARD ihre eigene Satiresendung (Produktion: Radio Bremen). Daneben baute sie sich eine beachtliche Reputation als Schauspielerin auf. Sie war in Fernsehserien wie »Oh Gott, Herr Pfarrer«, »Vera Wesskamp«, »Mein Leben und ich«, Doris Dörries »Klimawechsel«, »Tatort«, »Bella Block«, »Flemming«, »Zu dir oder zu mir«, »Seitensprung«, »Hotel Heidelberg«, »Eichwald, MdB«, »Mutter kündigt«, »Mona und Marie« zu sehen, unterhielt ein Kinopublikum mit ihren Darstellungen in »Das Superweib«, »Maria, ihm schmeckt’s nicht«, »Die Friseuse«, »Die Welle«, »Freier Fall«, »Wendy – Der Film«, »Der Junge muss an die frische Luft«, »Enkel für Anfänger«, »Enkel für Fortgeschrittene« und wurde mit anspruchsvollen Rollen in Kinofilmen wie »Das Fremde in mir« (Regie: Emily Atef) und »Verfolgt« (Regie: Angelina Maccarone) besetzt, für den sie 2007 mit dem Preis der deutschen Filmkritik ausgezeichnet wurde.
Ihr Outing als Lesbe hatte Maren Kroymann in einer Story des stern 1993 und war damit eine der ersten prominenten geouteten Lesben in Deutschland. Ihre Arbeit als Satirikerin, Schauspielerin, Sängerin, Entertainerin, ihr feministisches Engagement und ihr Einsatz für die LGBTIQ+-Community trugen ihr zahlreiche Auszeichnungen ein - angefangen mit dem Berliner Frauenpreis im Jahr 2000, über den Zivilcouragepreis des Berliner CSD 2008 bis zur renommierten internationalen Auszeichnung Rose d'Or der European Broadcasting Union 2019 für ihr Lebenswerk. 2020 wurde ihr die Carl Zuckmayer-Medaille des Landes Rheinland-Pfalz verliehen, die Menschen ehrt, die sich in besonderer Weise um die deutsche Sprache verdient gemacht haben. Das Institut für Allgemeine Rhetorik der Uni Tübingen verlieh ihr die Auszeichnung Rede des Jahres für ihre polarisierende Dankesrede bei der Verleihung des Deutschen Comedypreises, den sie 2020 erhielt. 2023 folgte der Grimme-Ehrenpreis und der Dieter-Hildebrandt-Preis der Stadt München und 2024 wurde sie mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet.
Maren Kroymann ist kontinuierlich als Hörbuchsprecherin tätig. Sie hat unter anderem mehrere Titel der Nobelpreisträgerin Annie Ernaux eingelesen. Für ihre Interpretation von Ernaux’ »Das andere Mädchen« wurde sie 2024 mit dem Deutschen Hörbuchpreis.
Mit »Kroymann« kehrte die „kabarettistische Sleeperin“ (Kroymann über Kroymann) 2017 nach 20 Jahren mit einer eigener Sendung in die ARD zurück. Hier kann sie wieder die ihr ganz eigene Art von Humor präsentieren, die Anja Rützel 2018 im SPIEGEL 2018 so beschrieb: „Ein Lachen, das piekt und einen in die Seite stupst: Vielleicht ist das die einzige Art von kichriger Belustigung, die heute nicht aus der Zeit gefallen, irgendwie unangemessen und leicht stumpf eskapistisch wirkt. (...) Man spürt (...) in den besten Sketchen von Maren Kroymann schon im Lachen auch nagendes Unbehagen. Das dafür sorgt, dass man es sich nicht zu wohlig sein lässt, ohne ins bitter Moralinsaure zu kippen, und das ist ein seltene Kunst.“
Die von der Kölner Produktionsfirma btf bildundtonfabrik produzierte Sketch-Satire »Kroymann« war bislang mit 20 Folgen zu sehen. Sie erhielt von Beginn an zahlreiche Preise, u.a. die Grimme-Preise 2018 & 2019, den Deutschen Fernsehpreis 2019 & 2020 und den Bayerischen Fernsehpreis 2019. Die Sendung wird Anfang 2025 mit weiteren Folgen fortgesetzt.
Im Juli 2024 feiert Maren Kroymann ihren 75. Geburtstag.
(Foto: Arne Lesmann)