Biographie

Als Klassikliebhaberin Elke Heidenreich 2010 den Sammelband "Ein Traum von Musik: 46 Liebeserklärungen” herausgab, bat sie neben Senta Berger, Campino, André Heller, Ursula von der Leyen, Isabella Rossellini und vielen anderen Prominenten auch Maren Kroymann, ihre Beziehung zur Welt der Töne zu schildern. Maren Kroymann folgte dieser Einladung nur zu gern, sie verfasste einen amüsanten und zugleich tiefgründigen Text über ihre musikalische Sozialisation in den 50er und 60er Jahren. Ganz persönlich erinnerte sie sich daran, wie sie einerseits von den Eltern an die Hochkultur, an Oper und Instrumentalklassik herangeführt wurde und andererseits über ihre vier Brüder mit der damals noch verrufenen Trivialkultur von Rock ‘n’ Roll und Sixtiesbeat in Berührung kam.

Spätestens nach der Lektüre dieses Buchbeitrags ist einem klar, wieso die Lieder ihrer Kindheit und Jugend in Maren Kroymanns Soloarbeiten solch eine wichtige Rolle spielen. In ihrem ersten Bühnenprogramm “Auf du und du mit dem Stöckelschuh” (1982) schaute die 1949, also im Gründungsjahr der Bundesrepublik Deutschland, geborene höhere Tochter aus einem Tübinger Akademikerhaushalt auf die spießige Welt des deutschen Nachkriegsschlagers zurück – speziell auf den Weiblichkeitswahn, von dem die deutschen Schlager des Wirtschaftswunderjahrzehnts durchtränkt waren. Glasklar, aber nicht ohne Empathie, analysierte sie in ihrem nächsten Programm "Gebrauchte Lieder" (ab 2000) das Männerbild der amerikanischen Popmusik der 50er und 60er Jahre - speziell das Phänomen des "weinenden Mannes" – am Beispiel der von ihr verehrten Interpreten Elvis Presley und Hank Williams.

Die 60er Jahre schliesslich erlebte Maren Kroymann als Zeit der Befreiung und des persönlichen Erwachens. In ihrem aktuellen Bühnenprogramm “In My Sixties” erzählt sie nun davon, wie die Popmusik der 60er Jahre den Soundtrack zur eigenen Pubertät lieferte. Erstes sexuelles Begehren, der Wunsch nach Leichtigkeit, die Hoffnung auf eine Befreiung aus den verklemmt-rigiden Moralvorstellungen der Elterngeneration – die Songs der “Swinging Sixties” versprachen ein Leben, das bunter, wilder und schöner war.

Die CD zum umjubelten Bühnenprogramm fasst nun noch mal einige der Songs zusammen, die den Teenager Maren Kroymann begleitet und emotional geprägt haben. “The Boy from New York City” (1965 als Debütsingle von 'The Ad Libs' veröffentlicht), “I Think It’s Going to Rain Today” (Randy Newman), “The Sun Ain’t Gonna Shine Anymore” (1966 ein Nummer-eins-Hit für die 'Walker Brothers'), “To Know Him Is to Love Him” (Phil Spector) und andere Evergreens der 60er Jahre interpretiert die Wahlberlinerin hier, unterstützt von der Jo Roloff Band, überaus persönlich. Selbst wenn sie zwischendurch mal den Text eines Songs, wie zum Beispiel “It’s All Over Now” von den Rolling Stones, mit einem Augenzwinkern parodiert, bleibt immer spürbar, wie sehr ihr all die Hittitel der Ära am Herzen liegen. Das gilt insbesondere für drei Klassiker aus dem Repertoire der legendären Dusty Springfield. Die vorliegenden Fassungen von “Wishin’ And Hopin’” und “I Just Don’t Know What to Do With Myself” (beide vom Autorengespann Burt Bacharach & Hal David) sowie “I Close My Eyes and Count to Ten” lassen in jeder Note die Verehrung der englischen Pop-Ikone erkennen. Dusty Springfield hat es ihr besonders angetan, weil sie mit ihrer selbstbewussten Stimme eine weibliche Stärke vorwegnahm, die erst Jahre später in der Gesellschaft zu spüren sein sollte.

Für Maren Kroymann ist die künstlerische Auseinandersetzung mit den 60er Jahren “eine Art emotionaler Archäologie”, wie sie der Frankfurter Allgemeinen Zeitung im Interview sagte. “Es ist schließlich die Zeit, die mich am meisten beeinflusst hat. Man ist als Kind und in der Pubertät am empfindungsfähigsten. Schlager sind immer Entwicklungshelfer. Nur in diesem Alter treffen sie einen bis ins Herz.” Das Aufbruchsklima, ausgedrückt in der Popmusik der 60’s, steckte auch die junge Maren an. Eigentlich war nach dem Abitur 1967, dem Studium der Anglistik, Amerikanistik und Romanistik und dem bestandenen Staatsexamen der Weg in eine Lehrerlaufbahn bereits vorgezeichnet. Doch die turbulenten Zeiten, Auslandsaufenthalte in den USA und Frankreich und erste Theaterfahrungen warfen alles über den Haufen. Statt Schüler zu unterrichten, amüsierte Maren Kroymann ein stetig wachsendes Publikum lieber mit ihrem wegweisenden feministischen Kabarett. Zunächst mit dem eigenen Bühnenprogramm, später auch in TV-Gastauftritten bei “Scheibenwischer”, “Jonas” und “Holgers Waschsalon”. Zwischen 1993 und 1997 hatte die Kabarettistin dann mit “Nachtschwester Kroymann” als erste und bislang einzige Frau in der ARD ihre eigene Satiresendung. Daneben baute sie sich eine beachtliche Reputation als Schauspielerin auf. Sie trat in Fernsehserien wie “Oh Gott, Herr Pfarrer”, “Vera Wesskamp”, “Mein Leben und ich”, Doris Dörries “Klimawechsel”, “Tatort”, "Bella Block", "Flemming", "Zu dir oder zu mir", "Seitensprung" und "Eichwald, MdB" auf, unterhielt ein Kinopublikum mit ihren Darstellungen in “Das Superweib”, “Maria, ihm schmeckt’s nicht”, "Die Friseuse", "Die Welle" und "Freier Fall", und wurde mit anspruchsvollen Rollen in Kinofilmen wie “Das Fremde in mir” (Regie: Emily Atef) und “Verfolgt” (Regie: Angelina Maccarone) besetzt. 

Ihr Outing als Lesbe hatte Maren Kroymann in einer Story des stern 1993 und war damit eine der ersten prominenten geouteten Lesben in Deutschland. Ihre Arbeit als Satirikerin, Schauspielerin, Sängerin und Entertainerin trug ihr zahlreiche Auszeichnungen ein, darunter den Ehrenpreis des Baden-Württembergischen Kleinkunstpreises 2015 und als erste Frau den Ehrenpreis "Reif und bekloppt" des Prix Pantheon 2014 und den MANEO-Award für ihr künstlerisches und gesellschaftliches Engagement gegen Homophobie, Frauenfeindlichkeit und Gewalt. Maren Kroymann ist derzeitige Trägerin des "Curt-Goetz-Rings". 2019 wurde sie mit dem "Toni-Pfülf-Preis" für herausragendes Engagement von Frauen für Frauen in Politik und Gesellschaft ausgezeichnet. Im Dezember 2019 folgt die renommierte internationale Auszeichnung "Rose d'Or - Lifetime Achievement Award" der European Broadcasting Union für ihr Lebenswerk. Im Januar 2020 wurde ihr durch Ministerpräsidentin Malu Dreyer die "Carl Zuckmayer-Medaille" des Landes Rheinland-Pfalz verliehen. Diese Medaille ehrt Menschen, die sich in besonderer Weise um die deutsche Sprache verdient gemacht haben. 

Die Satire-Sendung KROYMANN, die seit 2017 in der ARD mit bislang 11 Folgen und zwei Specials zu sehen war, erhielt zahlreiche Nominierungen und wurde mit dem "Juliane Bartel Medienpreis", dem DAfF-Preis der Deutschen Akademie für Fernsehen, den "Grimme-Preisen" 2018 & 2019, dem "Deutschen Fernsehpreis" 2019 sowie dem "Bayerischen Fernsehpreis" 2019 ausgezeichnet. Die Sendung wird im Herbst 2020 mit weiteren Folgen fortgesetzt.

Anlässlich ihres eigenen Jubiläums “50 Jahre Pubertät” (O-Ton) startete Maren Kroymann noch mal so richtig durch. Nach Voraufführungen in Bremen hatte ihr Programm “In My Sixties” im September 2011 in Berlins renommierter Bar jeder Vernunft Premiere. Es folgte eine Tournee durch Deutschland und die Schweiz. Die Zuschauer trugen Kroymann und die Jo Roloff Band auf Händen, die Resonanz der Presse war überwältigend. So schwärmte etwa die Frankfurter Rundschau: “Es gibt keine schönere Art, die eigene Sozialisation im Musikbereich zu reflektieren als die scharfsinnige wie professionelle Show der Fernsehdiva Maren Kroymann zu genießen. Ein absolutes Highlight!” 

Mit dem Album “In My Sixties” kann jetzt auch der Zuhörer in den heimischen vier Wänden mitverfolgen, wie Maren Kroymann vom Lied aus die Welt deutet, wie sie uns von der Popmusik aus die Sixties mit all ihren Veränderungen und gesellschaftlichen Entwicklungen noch mal vor Augen bzw. Ohren führt. Für die 69-jährige selbst sind die Songs ihrer Jugend ein steter Quell der Inspiration, sie taucht in sie ein wie in einen Jungbrunnen: “Ich habe gerade das Klimakterium hinter micht gebracht, jetzt befasse ich mich noch einmal mit der Pubertät. Und dem was sie mit sich gebracht hat. Die Haltung von Frische, von Neuem, das stetige Lernen” (BZ Berlin, 2011).